
Ambra oder grauer Amber ist eine wachsartige, natürlich vom Pottwal ausgeschiedene Substanz, die wie ein treibender grauer Stein aussieht. Diese tierische Rarität ist in der Parfümerie erlaubt, da sie ohne Tötung des Tieres gewonnen wird. Sie zählt zu den wenigen natürlichen tierischen Duftnoten, die noch verwendet werden – neben Zibet, Moschus, Bibergeil und Hyraceum.
Tierische Noten in der Parfümerie: eine alte Geschichte
Bereits 330 v. Chr. entdeckte Alexander der Große die Wirkung tierischer Duftnoten. Ihre Intensität und außergewöhnliche Haltbarkeit machten sie zu wertvollen Fixateuren. Die Ägypter und einige afrikanische Kulturen nutzten sie zu rituellen oder kosmetischen Zwecken.
Im frühen 20. Jahrhundert enthielten fast alle Parfums tierische Noten. In minimaler Dosis verstärkten sie die Basisnoten und verliehen dem Duft Sinnlichkeit und Tiefe, ohne das Gesamtbild zu dominieren.
Mit dem wachsenden Tierschutzbewusstsein wurden viele dieser Substanzen verboten. Eine Ausnahme bildet grauer Amber, der weiterhin verwendet werden darf, da er ohne Tierleid entsteht. Dennoch sind animalische Noten in der modernen Parfümerie selten geworden.
Was ist grauer Amber (Ambra)?
Ambra ist ein Darmkonkrement, das sich bei etwa 5 % aller Pottwale bildet. Beim Verzehr von Beutetieren wie Tintenfischen reizen deren Schnäbel die Verdauungsorgane. Der Wal produziert dann eine schützende Substanz, die er später ausscheidet.
Diese Substanz treibt jahrelang auf dem Meer, bevor sie an Qualität gewinnt – durch Oxidation, Sonne und Salzwasser. In frischem Zustand ist Ambra schwarz, weich und riecht unangenehm. Oxidiert wird sie hart, hell- bis dunkelgrau und entwickelt begehrte Duftfacetten.
Sie kann an Strände (z. B. Neuseeland, Madagaskar) gespült oder auf hoher See gesammelt werden. Spezialfirmen wählen die besten Stücke mit marinen, warmen oder animalischen Noten aus. Diese werden entweder pur verkauft oder zu Tinkturen verarbeitet, mithilfe einer Communelle (Mischung mehrerer Chargen für gleichbleibenden Duft), wie bei Rose oder Jasmin.
Einige Stücke wiegen über 100 kg – eine Seltenheit. 2013 wurde in England ein 3-kg-Block gefunden, der auf über 100.000 € geschätzt wurde.
Ein kostbarer und historischer Inhaltsstoff
Schon im Altertum – etwa bei den Ägyptern – war Ambra als Räucherwerk bekannt. Seit dem 15. Jahrhundert wird sie in Europa gehandelt. In Madagaskar heißt sie „Walamber“ („Wal-Ambra“). Marco Polo berichtete über ihre Verwendung nach seinen Reisen.
Im 18. Jahrhundert war Ambra beliebter als Moschus. Sie wurde Schokolade beigemischt (Casanova schwor auf ihre aphrodisierende Wirkung) oder zur Beduftung von Handschuhen verwendet. Auch das vom Pottwal gewonnene Spermazeti (Walrat) fand Verwendung, etwa in Seifen wie den Sapocetis von Guerlain.
Grauer Amber gilt rechtlich nicht als tierisches Produkt und fällt nicht unter das CITES-Abkommen.
Olfaktorisches Profil von Ambra
Optisch wenig ansprechend, entwickelt oxidierte Ambra eine faszinierende Duftsignatur. Die Nuancen reichen von ledrig, holzig, tabakartig über kampferartig bis fast cremig. Anders als das intensive Zibet wirkt Ambra subtil, geheimnisvoll, erotisch…
Ein hochwertiges Stück kann bei Hitze schmelzen und sich in eine goldene Flüssigkeit verwandeln – daher der Name „Ambra“, in Anlehnung an fossilen Bernstein (pflanzliches Harz). Frische Ambra hat keinen interessanten Geruch – nur lange oxidierte Stücke sind olfaktorisch nutzbar.
Beispiele für Parfums mit Ambra
Naturbelassene Ambra findet sich in legendären Düften wie Mitsouko von Guerlain, aber auch – laut manchen Quellen – in Ambre Nuit von Dior oder Ambre Sultan von Serge Lutens.
Ambra und synthetische Alternativen
Aus ethischen Gründen setzt die Branche vermehrt auf synthetische Alternativen: Cetalox (Firmenich) und Ambroxan, ein Derivat des Sclareols aus Muskatellersalbei. Diese Moleküle ahmen bestimmte Facetten der natürlichen Ambra nach – mit größerer Konstanz und regulatorischer Sicherheit.
Die meisten anderen tierischen Duftstoffe sind heute verboten (unter anderem durch die Arbeit des WWF). Dennoch werden sie in einigen Regionen des Nahen Ostens lokal weiterverwendet.