Oud, eine mythische Zutat der orientalischen Parfümerie, wird seit Jahrhunderten für medizinische, spirituelle und olfaktorische Zwecke verwendet. Es erscheint in einigen der ältesten Texte der Menschheit, einschließlich der Bibel. In mehreren religiösen Traditionen, wie dem Buddhismus, wird Oud-Holz verbrannt, um die Meditation zu fördern.
Holzig, tief und betörend – Oud hat sich als unverzichtbare Note in der Welt der Parfümerie etabliert. In der arabischen Kultur lange verehrt, symbolisiert es Reichtum, Spiritualität und Eleganz. Heute begeistern Oud-Parfums weltweit – von Europa bis Asien.

Herkunft und Beschreibung von Oud
Oud stammt von einem tropischen Baum der Gattung Aquilaria. Wird dieser Baum von einem Pilz namens Phialophora parasitica infiziert, bildet er ein wertvolles Harz: Oud-Holz, auch bekannt als Adlerholz oder Aloesholz.
Dieses Harz ist selten – nur etwa einer von hundert Bäumen produziert es natürlich. Da sich infizierte Bäume nicht im Voraus identifizieren lassen, wurden lange viele Bäume gefällt, was einige Arten gefährdete. Heute sind Aquilaria-Bäume in mehreren Ländern geschützt, und kontrollierte Inokulationsmethoden ermöglichen eine nachhaltigere Gewinnung.
Adlerholz wird hauptsächlich in Thailand, Indien, Bangladesch, Vietnam und Myanmar geerntet. Es verströmt einen dunklen, intensiven, holzigen Duft, geheimnisvoll und sinnlich zugleich. Es gehört zu den teuersten Rohstoffen der Welt – bis zu 40.000 € pro Kilo.
Oud heute: Zwischen Tradition und Moderne
Ich entdeckte Oud zum ersten Mal in Japan, während der Duftzeremonie Kōdō, bei der die Rauchschwaden des verbrannten Holzes mit Poesie verbunden werden. Es war eine poetische Begegnung. Später, im Nahen Osten, begegnete mir dieser Duft erneut – allgegenwärtig, fast überwältigend: in Einkaufszentren, Hotels, Innenräumen… Oud ist überall.
In den Golfstaaten tragen Männer und Frauen es in Kombination mit anderen Düften. Oud wird dort auch in Form von Holzspänen verbrannt – sogenannter Bakhoor –, um Kleidung und Haare zu parfümieren.
In den meisten Nischenparfums oder exklusiven Kollektionen großer Marken wird echtes Oud oft durch Kompositionen mit Zedernholz, Sandelholz, Vetiver, Patchouli oder Weihrauch ersetzt. Leder-, animalische oder würzige Noten ergänzen diese kraftvollen Akkorde.
Oud durchzieht die gesamte Duftkomposition – von der Kopfnote bis zur Basis. Selbst synthetische Oud-Noten hinterlassen eine intensive, lang anhaltende, sinnliche Spur.
Der Oud-Boom: Ist eine Sättigung erreicht?
Von Nathalie Pichard
Mein Trainingsteam in Dubai – der Welthauptstadt des Parfums – hat mich dazu gebracht, mich zu fragen: Hat Oud seinen Zenit erreicht?
Seit seiner Einführung in Frankreich mit M7 von YSL (2002) hat Oud die Parfümerie im Sturm erobert. Marken wie Tom Ford oder Juliette Has a Gun passten den Duft dem europäischen Geschmack an und eroberten damit den Nahen Osten. Das Ergebnis: eine wahre Flut von Oud-Kreationen – Oud ist heute beinahe so allgegenwärtig wie Rose oder Moschus.
Ob Mainstream-Marken, Nischenhäuser oder funktionelle Parfümerie (Waschmittel, Reinigungsmittel…) – alle greifen auf die Oud-Note zurück.
Ist Oud noch selten?
Ein Besuch in der Dubai Mall genügt, um festzustellen: die Intensität von Oud hat abgenommen. Zwar wird hier und da noch Bakhoor verbrannt, aber der Duft verflüchtigt sich zugunsten sauberer, gefälliger Noten.
Die Vorlieben ändern sich: Konsumenten suchen heute florale, aldehydige, fruchtige oder moschusartige Düfte. Der einst dunkle, animalische Oud wird weicher – kombiniert mit weißen Blüten, Moschus oder neuem Leder. Wie einst Moschus wird Oud gezähmt.
Die typische „Ziegenleder“-Note – animalisch und stark – macht Platz für eine leichtere, freundlichere Interpretation. Oud wird „gereinigt“, entschärft, demokratisiert… verliert es dabei seinen Charakter?
Oud: Ende oder Neuanfang?
Wie jeder ikonische Rohstoff folgt Oud dem natürlichen Zyklus der Mode: Begeisterung, Übersättigung, Verschwinden… und vielleicht Wiedergeburt.
Parfümeure werden weiterhin mit neuen Kombinationen experimentieren – oder sich edleren Alternativen zuwenden. Oud selbst wird seinen Platz in der Geschichte finden, so wie Patchouli oder Amber.
Einige emblematische Oud-Parfums
Oud + Rose
- The Night – Frédéric Malle (echtes Oud)
- Les Sables Roses – Louis Vuitton
- Ombre Nomade – Louis Vuitton
- Velvet Rose & Oud – Jo Malone
- Oud Ispahan – Dior
- Rose d’Arabie – Armani
- Oud – Maison Francis Kurkdjian
- Oud Palao – Diptyque
- The Moon – Frédéric Malle
Oud + Amber
- Oud & Ambre – Cartier
- Oud Pashmina – Montale
- Amber Oud – Trussardi
Oud + Safran
- Accord Oud – Byredo
- Purple Oud – Dior
- Vendomania – Ex Nihilo
Oud + Leder
- Intense Oud – Gucci
- Oud Khôl – Guerlain
- African Leather – Memo Paris
- Nefs – Nishane
Oud + Vanille
- Dark Vanilla – Montale
- Alexandria II – Xerjoff
Oud + Patchouli
- Infinitioud – House of BO
- Oud for Greatness – Initio
- Royal Princess Oud – Creed
Oud + Jasmin
- Aoud Jasmine – Montale
Oud + Orangenblüte
- Voyage à Paris – Fragrance du Bois
Oud + Gewürze
- Oud Wood – Tom Ford
Oud + Moschus + Mandel
- Oud Nude – Guerlain
Oud + fruchtige Noten
- Cherry Oud – Guerlain
- Nomad – Bond No.9
- Queen of Silk – Creed
- Oud Chaotique – Byredo
- Rouge Smoking – BDK
Oud + aromatische Noten
- Haltane – Parfums de Marly
Oud + Zitrusfrüchte
- Oud Yuzu – Aqua Allegoria Forte, Guerlain